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Der NurflüglerFoto: Philipp Blumenhagen

19.09.2025 HAW Stratosphäre

Einmal in die Stratosphäre und zurück - Philipp Blumenhagen hat an der HAW Landshut ein System entwickelt, das elektronische Geräte sicher zur Erde zurückbringt

Vor rund fünf Jahren entstand die Idee zu einem Projekt, das Philipp Blumenhagen bis in die Stratosphäre führen sollte. Als Student der Elektro- und Informationstechnik an der Hochschule Landshut entwickelte er ein Rückführungssystem für den Einsatz unter extremen Bedingungen. Für den entscheidenden Test beförderte er das System in eine Höhe von 27 Kilometern – und die Technik bestand.

Wenn man Philipp Blumenhagen auf dem Campus der Hochschule Landshut begegnet, merkt man schnell: Hier kennt man sich. Ein „Servus“ hier, ein kurzer Plausch da – der persönliche Umgang ist einer der Gründe, warum sich der 28-Jährige für ein Studium der Elektro- und Informationstechnik in Landshut entschieden hat.

In einer der Sitzecken des C-Gebäudes erzählt Philipp Blumenhagen von dem Projekt, das ihn mehr als fünf Jahre lang begleitet hat: ein selbst entwickeltes Rückführungssystem für Stratosphärenflüge. Dabei wird ein leichtes, autonom fliegendes Modellflugzeug an einen Wetterballon gehängt, um die dortigen Messinstrumente später wieder sicher zur Erde zurückzubringen.

15.000 Wetterballons starten nach Schätzung des Deutschen Luftfahrtzentrums jährlich in Deutschland. Allein der Deutsche Wetterdienst (DWD) gibt an, jährlich etwa 7.500 Wetterballons mit Radiosonden steigen zu lassen. Rund 80 Prozent davon gehen nach der Landung verloren. Denn sobald die Wetterballons eine Höhe von etwa 30.000 Metern erreichen, lässt der niedrige atmosphärische Druck sie platzen und die Radiosonden fallen an einem Fallschirm hängend unkontrolliert auf die Erde. Diese Sonden enthalten Elektronik, Sensoren, Akkus und Kunststoffteile. Die meisten landen in Wäldern, auf Feldern oder im Wasser. Nur ein Bruchteil kann geborgen und wiederverwendet werden.

Philipps Idee setzt genau hier an: Wie wäre es, wenn man diese Technik gezielt zur Erde bringt, um Umweltbelastungen zu vermeiden und Messinstrumente mehrfach zu verwenden?

Von der Idee zum Projekt

Angefangen hatte es 2020 mit einer „Schnapsidee“ im Modellflugverein, erzählt Philipp. Schon seit seinem elften Lebensjahr ist er dort Mitglied. „Wir wollten sehen, wie hoch man mit einem Modellflugzeug kommen kann.“ Und da war noch sein großer Wunsch, selbst aus großer Höhe ein Foto von der Erde zu machen.

Aus dem spontanen Einfall wurde ein Langzeitprojekt und Teil seines Studiums der Elektro- und Informationstechnik: Erst in der Bachelorarbeit, später vertieft in der Masterarbeit, entwickelte er das Rückführungssystem für Stratosphärenflüge.

Philipp war schon immer stark technikaffin. Nach der Schule machte er eine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme. Danach war sein Wissensdurst jedoch noch längst nicht gestillt. Er wollte studieren. An der Fakultät Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen in Landshut fand er, was er suchte: eine persönliche Atmosphäre, enge Betreuung und vor allem praxisnahe Projekte.

„Du hast hier viele Möglichkeiten, direkt auszuprobieren, wie etwas funktioniert – oder nicht“, meint er. „Wenn du an einem Projekt arbeitest und es leuchten oder blinken muss, aber das tut es nicht, dann hängst du dich rein und suchst den Fehler. Wenn es dann funktioniert, verstehst du es.“

Bei seiner Bachelor- und Masterarbeit wurde Philipp von Alexander Neumeier, Professor für Elektrische Messtechnik und Elektrotechnik, unterstützt. Im Zentrum stand die Frage: Wie bringt man Messinstrumente aus großer Höhe sicher zurück? Philipps Lösung: ein Rückführsystem mit einem kleinen aus Schaumstoff gebauten Leichtflugzeug, ausgestattet mit GPS, Kameras, Sensoren und Autopilot. „Ziel war es, dass die Geräte nicht irgendwo runterfallen, sondern gezielt landen können“, erklärt er.

Die rechtlichen Vorgaben machten das Projekt komplex: Ein vollautonomes Fluggerät gilt in Deutschland als unbemanntes Luftfahrtsystem und ist für Privatpersonen nicht erlaubt. Für den Stratosphärenflug musste der Autopilot deshalb deaktiviert bleiben.

Die Bachelorarbeit „Entwicklung und Aufbau eines Trackingsystems für Stratosphärenflüge“ bereitete die Bodenstation vor. Eine selbst entwickelte App konnte die Flugdaten in einer 3D-Ansicht darstellen. Zusätzlich programmierte Philipp die Kommunikation zwischen Flugzeug und Bodenstation.

Bei der Masterarbeit „Entwicklung und Test einer autonomen Sensorplattform für Stratosphärenflüge mit Wetterballonen“ drehte sich dann alles um den Flug: Sensorik, Flugmechanik, Rückführung. Im Zentrum stand ein sogenannter Nurflügler, ein besonders leichtes Modellflugzeug ohne separates Leitwerk, also nur mit Tragflächen gebaut. Es ist mit verschiedenen Sensoren, zwei GPS-Modulen und Kameras ausgestattet.

Der Flugtag

Am 15. Juni 2025 war es so weit. Der erste Startversuch war zuvor wegen eines Sturms abgebrochen worden. Philipp musste aufpassen, denn er hatte nur einen Wetterballon zur Verfügung. „Wenn der kaputt geht, sind 350 Euro weg“, sagt er. „Dann war’s das.“

An diesem Sonntag passte alles: 27 Grad, wenig Wind. Gestartet wurde in Starnberg, da Landshut in der Einflugschneise des Münchner Flughafens liegt. In Starnberg, nahe seines Modellflugvereins, bereitete Philipp mit vier Kollegen den Start vor. Der Flieger wurde an einem 15 Meter langen Seil unter einem mit Helium gefüllten Wetterballon befestigt. Das Ventil wurde vorsichtig montiert, die Technik überprüft. Auch an Kletterausrüstung hat Philipp gedacht: „Falls das Flugzeug in einem Baum landet, muss ich da rauf.“

Zwei Stunden dauerte der Aufstieg auf über 27 Kilometer Höhe, etwa bis zur Mitte der Stratosphäre. Zum Vergleich: Verkehrsflugzeuge fliegen in etwa zehn bis zwölf Kilometer Höhe. Dort herrschen extreme Bedingungen: minus 60 Grad Celsius, sehr geringe Luftdichte. Deshalb wählte er alle Bauteile gezielt aus und plante für jede Funktion ein Back-up: GPS, Sensorik, Kamera, Stromversorgung. Die Messinstrumente erfassten unter anderem Temperatur, Luftdruck, Strahlung, Ozongehalt, Feuchtigkeit und Flughöhe. Am Boden konnte Philipp daraus erkennen, in welcher Atmosphärenschicht sich der Ballon befindet.

Zunächst trieb der Ballon mit dem Wind Richtung Osten, in höheren Luftschichten drehte er dann zurück und näherte sich dem Startpunkt wieder an. Zwischenzeitlich riss das GPS-Signal ab. Der Ballon platzte wie geplant in knapp 27 Kilometern Höhe. Erst als der Flieger im Sinkflug war und sich der Bodenstation näherte, kam das Signal zurück. Die Erleichterung war groß.

Weil Philipp den Autopiloten während des Flugs nicht aktivieren durfte, war er nun bei der Landung auf Thermik und Fluglage angewiesen. Eine Zeit lang sah es so aus, als würde der Flieger im Starnberger See landen. Doch schließlich setzte er sicher auf einem Feld auf, nicht weit vom Startort entfernt.

Als Philipp aus dem Auto stieg, mit dem er Ballon und Flieger verfolgt hatte, wartete sein Team bereits auf dem Feld. Alle klatschten. Seine Mutter gehörte zu den ersten, die ihm gratulierten.

Blick zurück und nach vorn

Philipp blickt zufrieden zurück. „Ich habe extrem viel gelernt – technisch, aber auch organisatorisch.“ Rückhalt für das Projekt hatte Philipp in der gesamten Fakultät für Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen gefunden. Von Professor Neumeier, der ihn nicht nur fachlich betreute, sondern auch beim Einholen der Fluggenehmigungen unterstützte, über die Dekanin Professor Tippmann-Krayer, bis hin zum Freundeskreis der Fakultät, der die Finanzierung des Wetterballons samt Helium übernommen hatte.

Seine Masterarbeit hat er im August erfolgreich abgeschlossen. Beruflich zieht es ihn in die Luft- und Raumfahrttechnik, er hat einen Arbeitsvertrag beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen unterschrieben. Und ein weiterer Stratosphärenflug? Nicht ausgeschlossen. „Ich habe noch Ideen, was man besser machen könnte“, sagt er und grinst dabei.

Was bleibt, ist ein Video aus fast 27 Kilometern Höhe, aufgenommen von einer der Kameras am Nurflügler. Darauf zu sehen: der dünne blaue Streifen der Atmosphäre, unten die Troposphäre, darüber die Ozonschicht in der unteren Stratosphäre. Und ganz oben das tiefe Schwarz des Himmels. „Da sieht man, wie verletzlich unsere Erde ist.“

Philipp schaut sich die Aufnahmen gerne an. Und jedes Mal bekommt er wieder Gänsehaut. Sein großer Wunsch, einmal selbst ein Bild unserer Erde aus großer Höhe aufzunehmen, ist in Erfüllung gegangen. Katharina Theobaldy

Teamarbeit beim Start: Mit Freunden bereitet Philipp den Start des Wetterballons vor. Foto: Philipp Blumenhagen
Teamarbeit beim Start: Mit Freunden bereitet Philipp den Start des Wetterballons vor. Foto: Philipp Blumenhagen
Die Bordkamera zeigt die dünne blaue Linie der Atmosphäre. Das Bild wurde von einer Kamera am Nurflügler aufgenommen. Foto: Philipp Blumenhagen
Die Bordkamera zeigt die dünne blaue Linie der Atmosphäre. Das Bild wurde von einer Kamera am Nurflügler aufgenommen. Foto: Philipp Blumenhagen
Gelandet und glücklich: Nurflügler und Datenlogger sind heil zurückgekehrt. Foto: Philipp Blumenhagen
Gelandet und glücklich: Nurflügler und Datenlogger sind heil zurückgekehrt. Foto: Philipp Blumenhagen

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