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Kreativität und Engagement – das erwarten die Professoren Veronika Kammerer und Stephan Rauch von den angehenden Architekturstudenten in Landshut.Foto: Sandra Schörghuber

19.09.2025 Hochschule Landshut

„Es ist wichtig, dass hier komplett umgedacht wird“ - Bestand vor Neubau: Zum Wintersemester startet der neue Architekturstudiengang an der Hochschule Landshut

Dieses Wintersemester startet der Studiengang für Architektur an der Hochschule Landshut – der erste in Niederbayern. Stephan Rauch und Veronika Kammerer waren maßgeblich an dessen Entwicklung beteiligt. Im Interview erzählen die beiden Professoren, was den neuen Bachelor auszeichnet und welche Perspektiven er bietet. Außerdem geben sie Tipps für die Bewerbung.

Was ist das Spezielle an dem neuen Architekturstudiengang in Landshut? Was unterscheidet ihn von den bereits etablierten Studiengängen?

Stephan Rauch: Das war auch am Anfang ein Thema für uns: Wie schlagen wir den größten Nutzen daraus, dass wir den Studiengang neu aufbauen können? Hier spielt die Bauwende eine große Rolle. Die Baubranche ist ein großer Ressourcenfresser und Treibhausgasemittent. Das ist nicht zukunftsfähig. Wir können nicht immer neu bauen und dadurch neue Ressourcen verbrauchen, sondern müssen mit dem Bestand arbeiten, der da ist. Dieser Fokus auf die Bestandsweiternutzung, aber vor allem auch die Bestandstransformation, ist der Kern, um den wir diesen Studiengang aufgebaut haben. Die Studierenden sollen lernen, dass schon vieles da ist, aber dass man mit viel Kreativität, Engagement, konstruktiv-technischem Wissen und gestalterischen Fähigkeiten diesen Bestand angehen muss, um ihn in die Jetztzeit zu bringen. Da sprechen wir nicht nur von denkmalgeschützten Gebäuden, sondern es geht auch um die große Masse der Gebäude, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind.

Veronika Kammerer: Ein wichtiger Aspekt ist hier auch der Flächenverbrauch. Allein in Bayern werden täglich Flächen in der Größe von 16 Fußballfeldern bebaut und dadurch als landwirtschaftliche Fläche unnutzbar gemacht. Wenn wir mit dem Gebäudebestand arbeiten, müssen keine neuen Flächen versiegelt werden. Es ist wichtig, dass hier komplett umgedacht wird, und wir haben an der Hochschule die Möglichkeit, diese Thematik von Grund auf zu vermitteln und mit den Studierenden neue Lösungsansätze zu suchen – ohne in starren Strukturen und einem seit Jahren bestehenden Curriculum verhaftet zu sein.

Wie wollen Sie das Thema konkret in den Studiengang integrieren?

Veronika Kammerer: Die Studienaufgaben der ersten Semester werden den Umbau zum Hauptthema haben. Mit dem Prinzip „Learning by Doing“ wird den Studierenden von Anfang an vermittelt, aus dem, was da ist, das Bestmögliche zu machen – selbst, wenn nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen.

Stephan Rauch: Es ist bekannt, dass in Landshut immer wieder Gebäude für längere Zeiträume leer stehen. Wir werden mit dem neuen Studiengang diese Räume mit einem neuen Sinn erfüllen und als Studio- und Workshopräume belegen – in diesem Semester etwa die Realschule in der Christoph-Dorner-Straße, die umgebaut wird.

Wie kann man sich das vorstellen?

Stephan Rauch: Wir haben einen Zwischennutzungsvertrag für zwei Klassenzimmer und zwei Werkstatträume, während die Schule in einem anderen Trakt umgebaut wird. Das stört uns nicht weiter und wir können diese Bestandsschule für Lehrzwecke mit integrieren: Wir können uns die Treppe ansehen, die Belichtung. Wie groß sind die Räume? Was brauchen wir für eine Möblierung, die nach zwei Semestern mit umzieht? Bei einer mobilen Kaffeestation sind zum Beispiel einige Lehraspekte enthalten: Wie groß müssen die Fächer sein? Welche Anschlüsse brauche ich und so weiter – vom Kleinen ins Größere gedacht.

Wenn Sie den Studiengang in wenigen Worten zusammenfassen müssten – welche wären das?

Stephan Rauch: Intensiv, nahbar, authentisch. Ein wichtiges Merkmal des Studiengangs ist, dass wir bewusst mit kleinen Zügen starten wollen. Das heißt, dass die Studierenden eine intensive Betreuung bekommen werden.

Mit wie vielen Studierenden rechnen Sie pro Semester?

Stephan Rauch: Im ersten Semester starten wir mit rund 25 Studenten, auf die wir uns schon sehr freuen. Nach und nach wollen wir uns vergrößern. Der Zielwert liegt bei 40 Studenten pro Beginn, wobei wir immer im Wintersemester starten.

Wird Vorwissen benötigt?

Veronika Kammerer: Nein, Bewerber können ohne jegliches Vorwissen anfangen. Wir hatten schon die Aufnahmeprüfung für das kommende Semester, und es war ein schöner Mix aus frischen Schulabsolventen und Bewerbern, die eine handwerkliche Ausbildung hatten, also Schreiner, Bauzeichner, Maurer – gerade auf diese Vielfalt freuen wir uns sehr.

Sie haben bereits die Aufnahmeprüfung angesprochen. Für die Bewerbung verlangen Sie neben den klassischen Unterlagen auch eine Bewerbermappe. Was soll darin enthalten sein?

Stephan Rauch: Mappe ist vielleicht in unserem Fall schon ein zu großer Begriff. Wir haben jetzt fünf DIN-A4-Blätter verlangt, wobei eigene Arbeiten erstellt werden sollten. Diese Arbeiten können alles sein, eine Fotografie, eine Collage oder eine Zeichnung. Wir hatten jetzt zum Beispiel auch eine Keramikmeisterin, die ihre Objekte fotografiert und die Fotos dann eingesendet hat. Uns interessieren die Menschen, die sich bewerben, und dass sie zeigen, dass sie sich ein bisschen mit Gestaltung auseinandergesetzt haben. Dann haben wir ja unseren Eignungstest. Der Test ist dreigeteilt: Zuerst steht ein schriftlich-zeichnerischer Teil an, der ungefähr eine Stunde dauert. Dann gibt es eine Bauaufgabe, für die die Bewerber in Gruppen unterteilt werden. Hier geht es um den Prozess. Wir beobachten, wie die Bewerber in der Gruppe agieren, sich in dieser kurzen Zeit „zusammenraufen“ und zusammen etwas auf die Beine stellen können. Das wird präsentiert und dann gibt es noch ein Gespräch mit uns Professoren und Lehrenden. Da darf dann jeder etwas über sich erzählen, vor allem auch über die Arbeiten in seiner Mappe und was seine Intention ist, Architektur zu studieren.

Können Sie ein paar Tipps zur Bewerbung geben?

Stephan Rauch: Die Bewerbungsmappe sollte eine gewisse Neugier für bestimmte Themen ausstrahlen. Da sind keine Grenzen gesetzt. Für uns ist es spannend, wenn wir überrascht werden. Beim Eignungstest ist wichtig, dass man sich nicht verstellt, dass man möglichst authentisch ist und sich darauf einlässt.

Wie können sich Schülerinnen und Schüler, die mit dem Gedanken spielen, Architektur zu studieren, vorbereiten?

Veronika Kammerer: Mit offenen Augen durchs Leben gehen, fotografieren, skizzieren, reisen, lesen – alles, was im Entferntesten mit Kultur zu tun hat, hat etwas mit Architektur zu tun.

Warum verlangen Sie von den Studierenden ein Praktikum im Baugewerbe und nicht etwa in einem Architekturbüro?

Veronika Kammerer: Man muss ja auch wissen, was auf einer Baustelle passiert. Peter Zumthor, ein bekannter Architekt, hat einmal gesagt, die Handwerker sind sein Orchester, mit dem er die große Symphonie spinnt. Man muss dieses Orchester verstehen, die einzelnen Instrumente, um sie dirigieren zu können. Es ist wichtig, zu verstehen, welche Leistung dahinter steckt, im Hochsommer bei 38 Grad im Schatten eine Abdichtungsbahn auf die Bodenplatte zu schweißen. Wer das mal miterlebt hat, kann die Leistung dieser Menschen achten und respektieren. Ganz abgesehen davon geht es natürlich auch um das praktische Verständnis für die einzelnen Arbeitsschritte.

Stephan Rauch: Vorpraktikum heißt eigentlich ein Berührungsfenster und Berührungspunkt zum Handwerk. Dass man als Architekt weiß, was man eigentlich verlangt, wenn man das oder das zeichnet. Wir verlangen acht Wochen Vorpraktikum bis zum Ende des zweiten Semesters. Es wird empfohlen, vor dem Studium zu beginnen, und die Mindestabschnitte liegen bei zwei Wochen.

Veronika Kammerer: Es ist auch Teil unseres Curriculums, dass die Studierenden im fünften Semester ein Praktikumssemester im Architekturbüro machen. Da sollen sie 20 Wochen mitarbeiten und den Alltag kennenlernen.

Sie werben auf der Hochschulhomepage unter anderem mit ausgezeichneten Karrierechancen. Wie ist die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt für Architekturabsolventen?

Stephan Rauch: Aus den Herausforderungen aufgrund der Bauwende ergeben sich viele neue Spezialisierungsmöglichkeiten und Tätigkeitsfelder für Architekten. Daher glaube ich, dass es ein sicherer Beruf ist und es die nächsten Jahrzehnte viel Bedarf geben wird.

Veronika Kammerer: Selbst, wenn man in der Architektur nicht sein Glück findet, sind Architekten, weil sie generalistisch denken und kreativ in der Problemlösung sind, in vielen anderen Arbeitsbereichen auch sehr gern gesehen.

Können Sie hier ein Beispiel nennen?

Veronika Kammerer: Viele Studienkollegen von mir sind jetzt zum Beispiel Projektleiter und nehmen als Bauherrenvertreter deren Interessen gegenüber den Planenden wahr.

Stephan Rauch: Viele Architekten gehen auch in die Architekturvermittlung. Ich habe selbst mal eine Zeit lang als Journalist gearbeitet. Es werden sich in den nächsten Jahren auch sicherlich ganz neue Felder auftun, die wir jetzt noch gar nicht auf dem Schirm haben.

Interview: Sandra Schörghuber

Ab wann ist man Architekt?

Studienabschluss in der Tasche und jetzt nagelneue Visitenkarten mit der Berufsbezeichnung Architekt drucken lassen? Das wäre keine gute Idee. Wie bei Ärzten oder Anwälten ist der Beruf des Architekten geschützt, das heißt, eine Kammer wacht darüber, wer die Berufsbezeichnung tragen darf. Um Mitglied bei der Architektenkammer zu werden, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden: Bewerber müssen mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und ein Studium an einer von der Kammer akkreditierten Hochschule nachweisen können. Erst dann erfolgt die Aufnahme in die Architektenkammer und damit einhergehend die volle Bauvorlage, das heißt die Genehmigung, Bauanträge für komplexe Vorhaben wie etwa Hochhäuser bei den zuständigen Behörden einreichen zu dürfen.

Masterstudiengang ist in Planung

Aktuell gibt es die Möglichkeit, nach einem achtsemestrigen Bachelorstudiengang die Aufnahme in die Architektenkammer zu beantragen. Der neue Studiengang in Landshut umfasst jedoch nur sieben Semester – eine bewusste Entscheidung. Denn der europaweite Standard sei laut Veronika Kammerer und Stephan Rauch, dass man sieben Semester für den Bachelor studiere und dann drei Semester für den Master. „Wir haben hier die neueste Entwicklung aufgegriffen und wurden dabei auch von der Architektenkammer beraten“, erklärt Professorin Veronika Kammerer. Ein dreisemestriger Masterstudiengang Architektur ist an der Hochschule Landshut bereits in Planung.

1 Kreativität und Engagement – das erwarten die Professoren Veronika Kammerer und Stephan Rauch von den angehenden Architekturstudenten in Landshut. Foto: Sandra Schörghuber
1 Kreativität und Engagement – das erwarten die Professoren Veronika Kammerer und Stephan Rauch von den angehenden Architekturstudenten in Landshut. Foto: Sandra Schörghuber

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