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Mit modernster Technik prüft Thomas Sagberger das gelieferte Korn und entscheidet anhand der Messwerte über die jeweilige Verwendung.Foto: Petra Möllerfrerk

19.09.2025 Sagberger Mühle

Mühlenpower mit Tradition - und Zukunft! - Warum die Müller-Ausbildung spannender ist, als man denkt

Mehl? – Klingt im ersten Moment vielleicht nicht besonders aufregend. Aber wer hätte gedacht, dass es mehr als 15 hoch technisierte Verarbeitungsschritte braucht, bis aus Getreide hochwertiges Mehl wird? Oder, dass es in Deutschland über 3.000 Brotsorten gibt? Und, dass der Beruf des Müllers mittlerweile „Verfahrenstechnologe Mühlen- und Getreidewirtschaft Fachrichtung Müllerei“ heißt? Oder, dass deutsche Müller weltweit gefragt sind?

In der Ellermühle und der Bartmühle der Familie Sagberger bei Landshut wird dieses Handwerk bereits seit fast 100 Jahren gelebt – mittlerweile arbeitet hier die vierte Generation. Thomas Sagberger ist Müllermeister und wurde für seinen Abschluss 2018 sogar von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ausgezeichnet. Gemeinsam mit seinem Vater Rudolf Sagberger, Vorstandsvorsitzender des Bayerischen Müllerbunds, bildet er junge Menschen in der traditionsreichen Mühle aus. Beide engagieren sich außerdem als Prüfer in der Aus- und Weiterbildung – sowohl in der Praxis als auch in der Theorie. Die Auszubildenden werden beispielsweise zu Themen wie dem richtigen Umgang mit Grieß, Flocken, dem richtigen Siebvorgang oder der Bedienung der Maschinen geprüft.

Und davon gibt es einige: Rund 20 Siebe je Einheit, spezielle Reinigungsmaschinen, riesige Trichter, Förderanlagen und ein eigenes Labor sind nötig, um Getreide zu analysieren, zu reinigen und in Top-Qualität zu verwandeln. Hier wird nicht einfach nur gemahlen – hier wird geplant, gemischt, gesiebt, fotografiert, befeuchtet, gebürstet und geprüft. Bis zu 30 verschiedene Korntypen werden in der Bartmühle verarbeitet – bis zu zehn werden in der Regel gemischt, um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. „Von 100 Prozent Korn, werden 80 Prozent zu Mehl verarbeitet und 20 Prozent, die Schalen, gehen in die Futterverwertung. Und das ganz ohne chemische oder künstliche Zusätze“, sagt Thomas Sagberger und betont, dass die Arbeit in einer Mühle auch sehr nachhaltig ist. Die Qualität und Beschaffenheit ergeben sich ausschließlich aus der Wahl des Korns und dem Umfang der Bearbeitung in der Mühle. Nicht für die Mühle verwertbares Korn geht direkt in Biogasanlagen. Die Energieversorgung der Mühle erfolgt noch heute überwiegend mit Wasserkraft über eine Turbine.

Ausbildung mit Weitblick – mittendrin statt nur dabei

Die Ausbildung dauert drei Jahre und erfolgt im dualen System – mit praktischer Arbeit im Betrieb und zweimal jährlich je sechs Wochen Blockunterricht in Stuttgart oder Wittingen. Ob Hauptschulabschluss, Mittlere Reife oder Abitur – entscheidend sind technisches Verständnis, logisches Denken, Mathekenntnisse, handwerkliches Geschick und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und anzupacken.

Übrigens entscheiden sich immer mehr junge Frauen für diesen Beruf – derzeit etwa zehn von 50 Auszubildenden pro Jahrgang. Die Arbeitszeiten in den familiengeführten Mühlen wie den Sagberger Mühlen sind in der Regel montags bis donnerstags von 7 bis 16 Uhr, freitags bis 12 Uhr. In größeren Mühlen kann es auch Schichtarbeit geben. Das Einstiegsgehalt liegt bei 1.000 bis 1.200 Euro im ersten Lehrjahr.

Technik, Verantwortung und echtes Handwerk

In Betrieben wie der Sagberger Mühle übernehmen Auszubildende vom ersten Tag an Verantwortung, werden in die Arbeitsabläufe eingebunden. Es wird ermutigt, Erlerntes auszuprobieren und sich proaktiv einzubringen. So entsteht schnell ein umfassender Überblick über alle Abläufe. In größeren Betrieben durchläuft man dagegen meist verschiedene Abteilungen nacheinander.

Nach der Ausbildung stehen verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten offen. Sei es der Müllermeister, der Müllereitechniker SMS (Ausbildung in der Schweiz) oder der staatlich geprüfte Müllereitechniker an der Deutschen Müllerschule in Braunschweig. Das Thema Lebensmitteltechnik steht in Weihenstephan auf dem Plan. Wer dann noch weiter möchte, kann den Bachelor oder Betriebswirt draufpacken.

Die eingesetzte Technik ist hochmodern: vom Elevator, der die Getreidekörner stetig in der Senkrechten über die einzelnen Etagen der Mühle schießt, über die Förderschnecke bis zu elektronischen Luftsieben und Kameras zur Körneranalyse. Die Anforderungen an Hygiene und Sicherheit sind hoch. Jede Woche wird die gesamte Anlage gründlich gereinigt – Staub wird vollständig entfernt. Für Bio-Produkte gelten besonders strenge Vorschriften: Die Maschinen müssen vollständig entleert werden, um eine Vermischung mit konventionellem Korn auszuschließen.

„Bei all der technischen Unterstützung kommt es auf das geschulte Auge an“, betont Rudolf Sagberger. „Da sehen wir sofort, ob das Korn verarbeitet werden kann – oder besser direkt in die Biogasanlage geht.“

Ein Beruf mit Zukunft – nicht nur in Deutschland

Müller aus Deutschland sind weltweit gefragt – nicht zuletzt wegen der hohen Ausbildungsstandards. Die Schweizer Firma Bühler liefert beispielsweise Mühlentechnik nach Afrika, Indien oder Südamerika und setzt dabei gezielt auf deutsche Fachkräfte, um die Maschinen vor Ort zu erklären. Auch in Deutschland ist das Müllerhandwerk systemrelevant. Gerade in Krisenzeiten sorgt es für eine sichere, regionale Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Müllerbetriebe arbeiten daher eng mit Landwirten, Bäckereien und der Gastronomie zusammen. Besonders in Bayern sind sie stark vertreten: Rund 50 der etwa 170 deutschen Mühlen stehen hier. Der Austausch mit Landwirten ist intensiv. Es geht um die richtige Getreidesorte für den jeweiligen Boden und die Einschätzung der Ernte. Die Qualität der Mehle wird dabei individuell bestimmt – je nach gewünschter Klebeeigenschaft, Proteingehalt oder Einsatzbereich (zum Beispiel Bäcker-, Brot-, Vollkornmehl).

Ein Praktikum ist jederzeit möglich

Ein Praktikum ab 14 oder 15 Jahren ist jederzeit möglich und meist ein bis zwei Wochen. Aufgrund hoher Hygienestandards sind Führungen nur eingeschränkt möglich, im Rahmen von Ferienprogrammen wird aber regelmäßig ein Blick hinter die Kulissen ermöglicht.

Übrigens: 2028 feiert die Ellermühle ihr 100-jähriges Jubiläum – jetzt ist also ein perfekter Zeitpunkt, um sich als Nachwuchs-Müller auf den Weg zu machen!

Petra Möllerfrerk

Immer wieder werden Handproben aus den verschiedenen Siebstufen entnommen. Trotz Technisierung braucht es ein geschultes Auge. Fotos: Petra Möllerfrerk
Immer wieder werden Handproben aus den verschiedenen Siebstufen entnommen. Trotz Technisierung braucht es ein geschultes Auge. Fotos: Petra Möllerfrerk

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